«Raindrops keep falling on my head». Als ich aufwachte regnete es stark; ein Geräusch das dadurch verstärkt wurde, dass es am Dachrand keine Regenrinne gab. Das Wasser tropfte einfach auf das Vordach des darunter liegenden Stockwerks. Das Vordach gehört zur Glacier Lodge in Kennicott – wir waren tief im Herzen des Wrangell-St. Elias National Park and Preserve, Alaska unter gekommen. Kennicott vermittelt dem interessierten Besucher einen spannenden Eindruck von Alaskas längst vergangener Bergbau-Ära.
Der Wetterumschwung kam unerwartet und leichte Enttäuschung machte sich breit. Zumal wir unsere Regenjacken am Vorabend im Auto liessen. Unsere Annahmen zum Wetter waren da nur positiv gewesen. Wir werweissten eine Weile wie wir den Tag verbringen sollten und dachten über mögliche Alternativen nach. Abfragen im Web zeigten aber schnell, dass es grossräumig regnete. Valdez, Fairbanks, Anchorage, die Kenai Halbinsel: Überall Regen der auch die nächsten Tage andauern sollte. Wir beschlossen das Beste daraus zu machen und in Kennicott zu bleiben. Die Bedienung im Frühstücksraum nahm es ebenfalls gelassen: «It`s not bad – it`s only raining».
Im Sommer 1900 erforschten die Prospektoren Clarence Warner und Jack Smith den Ostrand des Kennicott Gletschers. Als sie die Kalkstein-Grünstein-Verbindungen im Fels fanden und davon Proben nahmen zeigte sich rasch, dass diese aus bis zu 70% reinem Chalkosin – ein Sulfidmineral, früher auch Kupferglanz genannt – bestanden. Eine der reichsten Kupferlagerstätten, die jemals gefunden wurde, war so von den beiden entdeckt worden. Die Entstehung der Kennecott Copper Mine war damit nur noch eine Frage der Zeit.
«Die ‹Kennecott Copper Mine› erzählt die Geschichte von Entdeckung und Bergbau zu einer Zeit, in der Amerika hungrig nach Kupfer war. Eisenbahnen, Elektrizitätswesen und Munition für den ersten Weltkrieg verlangten danach. Einfallsreichtum und Erfindergeist machten es möglich».
Eine Gruppe wohlhabender Investoren gründete die Kennecott Copper Corporation um die reichhaltigen Kupferadern in den steilen Bergen oberhalb des Root Gletschers auszubeuten und begann noch im Entdeckungsjahr mit dem Abbau in der «Bonanza» Mine. Das neue Unternehmen baute zum Abtransport die Copper River & Northwest Railroad, die das Kupfererz der Kennecott Copper Mine zum Hafen in Cordova brachte, und gründete die «Company Town» Kennicott.
Zwischen 1911 und 1938, als die Produktion der mittlerweile fünf Minen auf Hochtouren lief, erzielte die Firma hohe Umsätze wobei 1916 mit einem Erlös von 32,4 Millionen USD das produktivste Jahr war. Bereits 1925 sagten die Geologen aber voraus, dass die Erzader mit dem hohen Kupfergehalt in den 30er-Jahren erschöpft sein dürfte. Das Aus mit der endgültigen Schliessung kam 1938 also nicht unerwartet. Sie erfolgte mit einer Vorlaufzeit von lediglich einem Tag: Am Folgetag musste jeder der weg wollte mit seiner persönlichen Habe im Zug Platz nehmen um nach Cordova mitzufahren. Die Eisenbahn fuhr danach nie wieder. Nachdem die Minengesellschaft die Kennecott Copper Mine als Standort aufgab, blieb Kennicott als Geisterstadt zurück.
Bis Ende der 1960er blieb Kennicott verlassen. Versuche, den Erzabbau wieder aufzunehmen, scheiterten an den Kosten. Der Abriss des Ortes wurde nur zum kleinen Teil durchgeführt, sodass heute ein Grossteil der Gebäude erhalten blieb. Seit den 1980-er Jahren entwickelte sich Kennicott zur touristischen Sehenswürdigkeit und wurde zur National Historic Landmark erklärt. In der Folge erwarb der National Park Service 1998 einen schönen Teil des sich in Privatbesitz befindenden Ortsgebietes und begann mit der Restaurierung. Ein langwieriges und kostspieliges Unterfangen das sich noch über viele Jahre hinziehen wird. Durch dieses Vorgehen kam in den letzten Jahren wieder Leben nach Kennicott.
Rechtzeitig zu Beginn der Führung kamen wir zum Treffpunkt wo uns Olivia von den «St. Elias Alpine Guides» begrüsste. Zu unserer Überraschung waren wir nur zu dritt was eine spannende Führung versprach. Diese dauerte 2¼ Stunden, war sehr lehrreich und vermittelte interessante Einblicke zum damaligen Erzabbau und den Lebensumständen der Arbeiter. Vor allem die 14-stöckige Sortier- und Trennungsanlage (Concentration Mill) für das Erz und das Kesselhaus (Powerhouse) mit den vier Kaminen waren sehr eindrücklich.
Für heutige Begriffe kaum vorstellbar was vor 100 Jahren mit der damaligen Ingenieurskunst alles geleistet wurde. Interessant auch deshalb weil die technischen Anlagen bei der Betriebsaufgabe fast vollständig zurück gelassen wurden. Nur die wertvollsten Teile, so auch die beiden Dieselmotoren, wurden mitgenommen. So können heute die Anlagen mit nahezu vollständiger Ausrüstung – wenn auch zum Teil verfallen – besichtigt werden.
Alle Aufnahmen mit Fuji X-Pro2 und dem Objektiv XF 16-55, sowie iPhone 6.