Seit Mai neu in meinem Bestand: Die Mittelformatkamera Fujica GW690. Wer meinem Blog folgt weiss, dass ich parallel zu meinen digitalen Fuji-X Kameras vermehrt mit Analogfilm fotografiere. Das ist ein völlig anderes Fotografieren – total entschleunigt: Nicht mehrere Aufnahmen von ein und demselben Motiv und Auswahl des besten Bildes sind das Ziel. Nein, statt dessen ein vorgängiges Überlegen und eine sorgfältige Bildkomposition. Es gibt auch kein unmittelbares Betrachten des Bildes nach dem Auslösen, sondern es folgt ein tagelanges Warten auf die entwickelten Negative und Bilder. Analoges Fotografieren ist also zeitaufwändig, quasi die weitere Entschleunigung zum digitalen Fotografieren mit manuellen Objektiven, das ich ja schon lange betreibe.
Statt Dutzende Bilder einige wenige. Kein innerer Druck Bilder zu «produzieren» sondern das kontemplative Fotografieren steht im Vordergrund. Das ist sehr erholsam und befriedigend zugleich.
Nun ist beim analogen Film die Grösse des Negativ-Formats alles. Je grösser das Filmformat, desto mehr Reserven hat man bei der Entwicklung, desto kleiner fällt der qualitative Unterschied zu einer digitalen Aufnahme aus. Im direkten Vergleich fallen hier analoge Aufnahmen im Kleinbildformat deutlich ab. Nicht dass dies den Reiz schmälert – es kommen beim analogen Fotografieren ja andere Vorteile zum tragen. Aber wie heisst es so schön: «Mit dem Essen kommt der Appetit». Da bin ich keine Ausnahme und so hielt ich seit längerer Zeit Ausschau für ein passendes Stück. Plötzlich ging es schnell: Eine optisch und mechanisch gut erhaltene Fujica GW690, gebaut Ende der 70er-Jahre ging mir zu.
Die Fujica GW690 ist noch solide aus Metall gebaut und die letzte ihrer Art vor dem breiten Einsatz von Kunststoffgehäusen durch Fuji. Sie ist auch die letzte, die noch Fujica heisst – ihre zahlreichen Nachfolgerinnen tragen alle den verkürzten Namen Fuji. Wie meine Contax IIIa und meine Zeiss Ikon ZM ist sie eine Messsucherkamera, aber eben im deutlich grösseren Mittelformat mit dem seltenen Negativformat 6×9 cm, 56 x 83 mm um ganz genau zu sein. Amerikaner verliehen ihr aufgrund von Grösse und diesen Eigenschaften den Übernahmen «Texas-Leica» – alles etwas grösser eben.
Sie benötigt dafür Rollfilm; auf den heute noch erhältlichen 120er-Rollfilm passen dabei gerade einmal acht Bilder. Sein Seitenformat von 3:2 ist vertraut und passt bestens für meine Zwecke. Durch das Fehlen eines Spiegelkastens ist auch die Grösse und das Gewicht im Vergleich zu anderen Mittelformatkameras noch sehr gut. Eine passende Tragetasche für die Fujica GW690 fand sich jedenfalls noch in meinem Bestand und kommt so zu neuen Ehren.
Wechselobjektive gibt es bei der Fujica GW690 nicht, das fest eingebaute Objektiv EBC Fujinon 3.5 / 90 mm ist nicht sehr lichtstark aber für meine Arbeitsweise mit Stativ ausreichend. Schneller an Grenzen stiess ich hingegen beim ersten Fotoausflug mit dem Zentralverschluss und der kürzesten Belichtungszeit von 1/500 s. Da werde ich noch einen ND-Filter (Graufilter) anschaffen müssen, der an schönen Tagen die Belichtungszeit verlängert und damit eine Überbelichtung vermeidet.
Wie meine anderen Analogkameras für Kleinbildformat ist die Fujica GW690 voll mechanisch, sie benötigt keine Batterie und besitzt noch nicht einmal einen eingebauten Belichtungsmesser. So kommt mein Gossen Digisix 2 immer mit. Wie vor fünfzig Jahren als ich mit meinem Gossen Lunasix 3 unterwegs war. Crazy!
Mein Eindruck nach den ersten Bildern: Eine Kamera mit gutem Handling, mit schönen und scharfen Negativen – eine Klasse für sich.
Alle Bilder mit der Fujica GW690 und Fujifilm PRO 160NS 120 Rollfilm. Entwicklung und Scans durch Meinfilmlab und Umwandlung mit Nik Silver Efex Pro 2. Aufnahmen der Kamera mit Fuji X-Pro2 und dem XF16-55mm.