Auf den Inseln von Senja und Vesterålen, einer etwas südlich gelegenen Inselgruppe, wollen wir die nächsten Tage verbringen. Wir verlassen Tromsø, das «Tor zur Arktis» – verzichten auf eine Fahrt im Landesinnern und entschliessen uns für ein «Insel-Hopping». Wir wollen Fähren nutzen um möglichst viel von Natur, Küste und Land zu erleben. Schon kurz nach zehn Uhr erreichen wir bei regnerischem Wetter den Fergekai Brensholmen und setzen mit der «Kvernsund» nach Botnhamn auf Senja über.
Gleich einer Hand streckt sich Senja den Unbilden des Nordmeeres entgegen. Der Ostteil der Insel, quasi die Handfläche, ist eine ruhige Landschaft mit Mooren, Kiefernwald und bewaldeten Hängen. Die zerklüftete Westküste, die Finger, jedoch das Gegenteil davon. Die Berge sind höher und man wandert durch Moorbirken-Wald bis zur Baumgrenze von 300 Metern, über kahle Bergrücken und raues Hochgebirge. Bis zu 800 Meter hohe, steil empor ragende Berge lassen kaum Raum für grössere Siedlungen.
Norway in a nutshell – vier Wörter, die Senja am besten beschreiben. Hier findet man wirklich all das, was Norwegen ausmacht und das auf einer Fläche die knapp dem Kanton Zürich entspricht. Es gibt schroffe Berge, die steil bis ins Meer abfallen. Oder einsame Buchten mit karibisch blauem Wasser in Hamn. Eine rauhe Natur und fantastische Landschaften in Senjahopen. Mit kleinen, farbenfrohen Siedlungen, abgelegenen Hütten, eingequetscht zwischen Wasser und aufsteigenden Bergen. Wir bleiben für drei Nächte im Mefjord Brygge in Mefjordvær.
Neben sehr engen und kurvigen Strassen sind die vielen Tunnel auf der Insel ein Highlight für sich. Nicht mit den Standards in Mitteleuropa vergleichbar. Sondern grob in den Fels gehauene Fahrspuren, oft über zwei Kilometer lang. Unbeleuchtet, einspurig mit leichten Kurven, lassen sie das andere Ende oft nicht erkennen. Ein- und Ausfahrten oft ohne Sicht auf möglichen Gegenverkehr ausgebildet; nur kleine Einbuchtungen ermöglichen das Ausweichen bei Gegenverkehr.
Grösster Ort an der Westseite von Senja ist Gryllefjord. Hier ducken sich die bunt farbigen Häuser am grünen Berghang aufwärts. Von hier verkehrt vom 15. Mai bis zum 1. September auch drei mal täglich die Fähre nach Andenes auf den Vesterålen. Eine vorherige Buchung mit Reservation ist nicht möglich: «First come, first served»; die Devise – ganz schön rigide. Um sicher auf der ersten Fahrt des Tages um elf Uhr mitzukommen sind wir bereits zwei Stunden vor Ablegen am Steg. Es herrscht grosser Andrang und wir müssen entgegen meiner Erwartung bereits in der fünften Reihe parken und dann warten.
Nach einer Stunde und 40 Minuten ruhiger Seefahrt rollen wir in Andenes von der «Stetind» und fahren sofort weiter südwärts. Die weniger bekannte Inselgruppe der Vesterålen liegt zwischen Senja und den Lofoten. Die Natur ist hier ein bisschen weniger dramatisch, dennoch aussergewöhnlich schön und erstaunlich anders. Zu den größten Anziehungspunkten der Vesterålen gehören die Wale. Nirgendwo sonst an der norwegischen Küste liegt das Kontinentalschelf so nahe am Festland wie hier. Eine Wal-Sichtung ist fast garantiert; täglich fahren denn auch die Safari-Boote mit erwartungsfrohen Besuchern los.
Im Norden, auf der Insel Andøy fällt das Land sanft ab und wird zum grossen Teil zur Ebene. Diese prägen ausgedehnte Moore und flache Gezeitenküsten mit schönen Sandstränden. Im Südteil von Hinnøya, der mit 2198 Km² größten Insel Norwegens, dominieren steil aufragende Berge, Obelisken gleich. Zugleich aber lassen die breiten Täler größeren Raum für Birken- und Kiefernwälder, für Wiesen, Weiden und damit Platz für die Landwirtschaft.
Unser Tagesziel ist Nyksund auf der Insel Langøya. Bis 1972 ein Fischerdorf, dann für Jahrzehnte verlassen und später eine Künsterkolonie, erlebt der kleine Ort gerade einen neuen Aufschwung. Heute zählt der Ort wieder 15 Bewohner und ist mit zahllosen Motiven für Maler und Fotografen gleichermassen interessant. Die zerfallenen Gebäude werden als private Initiative restauriert. Heute gibt es in Nyksund wieder Strom, Telefon und eine eigene Wasserversorgung mit fliessend warmem Wasser.
Vesteralen Reiseführer 2018
Wir haben im Holmvik Brygge im kleinen Hafen übernachtet. Es wird von einem Deutschen geführt, der das alte Fischerhaus in Eigenregie restauriert hat. Das gesamte Mobiliar wurde aus vier verlotterten Häusern in der Umgebung zusammen gesucht oder aus Überresten geschreinert – ein lebendiges Museum. Hier können Gäste authentisch spüren, wie Fischer vor etwa 100 Jahren lebten.
Das sind Senja und Vesterålen: Eine Insel und eine Inselgruppe für jeden interessierten Besucher. Hier geniesst man eine vielfältige Landschaft und die Launen der Natur pur. Man freut sich an gutem Essen und geniesst die sprichwörtliche norwegische Gastfreundschaft.
Alle Aufnahmen entstanden mit der Fuji X-H1 und dem Objektiv XF16-55 mm während meiner diesjährigen Ferienreise in Nordnorwegen.
Quellen: