Wer auf meinem Blog regelmässig mitliest weiss, dass ich ein Faible für die Geschichte der ehemaligen Zeiss Ikon Werke und für alte Objektive von Carl Zeiss habe. So besitze ich seit kurzem auch ein Voigtländer Color-Ultron 1.5/50 in der M42-Ausführung.
Und das kam so: Einmal mehr recherchierte ich zum Untergang der traditionellen Zeiss Ikon-Werke im Herbst 1971 mit der folgenschweren Entscheidung die Kameraproduktion bei Zeiss Ikon und ihrer Tochter Voigtländer einzustellen. Dabei stiess ich auf ein Kapitel zur Icarex 35, dem gescheiterten Hoffnungsträger zur Abwendung der Insolvenz. Und das dazu gehörige, legendäre Objektiv Carl Zeiss Ultron 1.8/50 mit seiner konkav geformten Frontlinse. Heute zu exorbitanten Preisen gehandelt.
Bei meinen Recherchen stiess ich bald auf seinen direkten Nachfolger: Das Voigtländer Color-Ultron 1.8/50, nun aus Kostengründen wieder mit konvexer Frontlinse. Genau so ein Objektiv in schönem Zustand mit Seriennummer 2331963 und made in Singapore habe ich zu einem fairen Preis erworben.
Das Voigtländer Color-Ultron 1.8/50 ist im Grunde ein Carl Zeiss Planar 1.8/50mm. Zeiss war ja Besitzer von Voigtländer, als die erste Version dieses Objektivs (mit M42-Anschluss) gefertigt wurde. Der «geriffelte» und weit vorne liegende Fokusring meines Exemplars deuten – obwohl bei Voigtländer konstruiert und später im Rollei-Werk in Singapur produziert – auf eine Zeiss-Konstruktion hin. 1971 wurde als Folge des Untergangs von Zeiss Ikon Voigtländer an Rollei verkauft; das Objektiv wurde jetzt mit QBM-Anschluss hergestellt, bevor die Bezeichnung Ultron entfiel und das gleiche Objektiv unter dem Namen «Rollei Planar 1.8/50 HFT» im Handel für Rollei-Kameras auftauchte.
Die Wanderwoche Mitte September im Engadin brachte die Möglichkeit das Voigtländer Color-Ultron an einer aktuellen digitalen Kamera auszuprobieren. Für die Wanderung von der Bergstation der Furtschellas-Bahn auf 2300 Meter über Meer auf dem Höhenweg zum Hotel Fex im Fex-Tal und auf der Gegenseite zurück nach Sils-Maria nahm ich meine Fuji X-H1 und das Voigtländer Color-Ultron 1.(/50 als einziges Objektiv mit. So quasi die Beschränkung auf das Nötigste. Die 50 mm Brennweite sind zwar am APSC-Format etwas lang – dafür ist die Kombination Kamera plus ein Objektiv im Gewicht schön leicht.
Ich wollte herausfinden was ein fünfzigjähriges Objektiv an einer heutigen Systemkamera zu leisten vermag; welche Bildqualität sich damit erzielen lässt. Wie auf meinen Bergwanderungen üblich fotografierte ich verschiedene Motive die mir gefallen haben. Die Fuji X-H1 benutzte ich mit den Werkseinstellungen, der Film-Simulation Provia und dem Aufnahmemodus RAW + JPEG. Details für Fuji-Fotografen: Weissabgleich = Auto, Ton Lichter = 0, Ton Schatten = 0, Farbe = 0, Schärfe = 0, Rauschreduktion = 0.
Zuhause übertrug ich die Bilddateien unter Verwendung der Standard- Import-Einstellungen nach Adobe Lightroom Classic. Nach Sichtung wählte ich 12 Bildpaare in RAW + JPEG aus. Auf die JPEG-Bilder wendete ich eine Belichtungs-Korrektur von +1/3 Blende an um das Histogramm etwas einzumitten, einige wurden noch im Format beschnitten. Der Weissabgleich blieb unverändert und auch sonst erfolgte keine Bearbeitung. Die JPEG sind, was die Farbigkeit, Kontrast und Schärfe betrifft, also OOC, Out of Cam. Sie weisen eine sehr gute Gesamtschärfe bis in die Ecken auf; die Farben präsentieren sich trotz der Filmsimulation Provia für meinen Geschmack in etwas zu kühlen Tönen. Das Gesamtbild scheint mir aber harmonisch, stimmig und ausgewogen.
Die RAW-Dateien hingegen bearbeitete ich mit meinen aktuellen Einstellungen für die Bildverarbeitung und wendete am Schluss meine aktuell übliche LUT von Lutify an. Hier zeigt sich die optische Güte des Voigtländer Color-Ultron; es besitzt jede Menge an Reserven am 26 MP-Sensor der Fuji X-H1.
Mein Fazit: Die Bildqualität der Aufnahmen aus dem Fex-Tal ist beeindruckend. Hier zeigt sich die optische Güte des Voigtländer Color Ultron 1.8/50: Ich sehe keine CAs, auch nicht bei offener Blende. Die Schärfe und der Kontrast sind in meinen Augen sehr gut. Mehr als genügend um es demnächst an der Fuji GFX 50s weiter auszuprobieren. Für mich erweist sich dieses Objektiv als gute Investition; es scheint eines meiner besten KB-Objektive überhaupt zu sein. Auch Haptik und Handling sind sehr angenehm. Schon offen ein wahrer Genuss.
Quellen:
Hans-Jürgen Kuć, Auf den Spuren der Contax, Band II
Allphotolenses, Bilder und Spezifikation des Voigtländer Color-Ultron
The Straits Times, Made by Rollei singapore – a peek into history
Wikipedia
Hallo Walter,
Wieder einmal ein sehr interessanter Artikel mit tollen Fotos. Ich denke auch gerade über ein Color Ultron oder ein Rollei HFT nach. Dein Artikel hat mich bestärkt.
Viele Grüße
Wilfried
Hallo Wilfried
Vielen Dank. Dein Beitrag erinnert mich daran, dass ich das Color Ultron wieder einmal ausführen muss. Eine nach wie vor sehr schönes Objektiv mit toller Haptik.
Viele Grüsse Walter
Hallo Walter,
ich habe mir das Color-Ultron gekauft und bin total begeistert. Derzeit ist es mein „Immerdrauf“ an der Fuji X-T3. Jetzt denke ich über das Zeiss Distagon 2,8/35 nach. Werden die möglichen Abbildungsfehler und die größere Schärfentiefe des 35ers gegenüber dem 1,8er Ultron eher eine Enttäuschung?
Viele Grüße Wilfried
Hallo Wilfried
NEIN, ganz sicher nicht. In zwei meiner früheren Blogbeiträge habe ich aufgrund einer Anfrage das CZ Contax Distagon 2,8/35 mit Metabones Speedbooster zwei kurzen Praxis-Tests unterzogen. Bei einem davon ging es um die Bildqualität in den Ecken bei Einstellung auf unendlich. Das Fazit hierzu: Die BQ nimmt bei Offenblende in den Ecken etwas ab. Ab Blende 5.6 zeichnet es sehr scharf und die Schärfe nimmt bei weiterem Abblenden auch nicht mehr zu.
Noch eine bessere Bildqualität erzielt das CZ Contax Distagon 2,8/28mm. In diese Klasse gehört übrigens auch das Sonnar 2,8/85 mm; beide liefern auch nach heutigen Masstäben eine tolle BQ ab.
Abbildungsfehler wie Bildfeldwölbung (field curvature) – dazu gibt es einen Wikipedia-Eintrag – sind bei älteren Objektiven im Gegensatz zu heutigen Rechnungen normal. Sie fallen im Fotografie-Alltag aber selten auf weil das Bildmotiv in der Regel nicht auf einer Ebene liegt; sondern Teile davon etwas vor dem Fokus oder dahinter in der Unschärfe liegen. Ausser man fotografiert Ziegelsteinmauern . Der resultierende Bildlook im Vergleich zu den klinisch scharfen Objektiv-Rechnungen von heute macht ja den Charme von Altglas aus.
Mit Schärfentiefe hat der Vergleich der Brennweiten 50 bzw. 35 mm nichts zu tun. Die Schärfentiefe ergibt sich aus der gewählten Blendenöffnung und dem Abstand zum Hauptmotiv: Offene Blende = schmaler Schärfebereich, geschlossene Blende = grössere Schärfentiefe. Auch dazu gibt es einen sehr guten Beitrag bei Wikipedia.
Hallo Lucky
Ich glaube die Qualität mit Rollei QBM-Anschluss ist gleichwertig. Rollei hat ja Voigtländer letztlich übernommen und somit auch alle Fertigungsunterlagen. Allerdings ist der mechanische Aufbau anders. Für die M42-Variante fällt mir als Quelle nur eBay ein; wobei ich empfehle auch die japanischen Seite mit einzubeziehen.
Viele Grüsse Walter
Moin Walter,
ersteinmal: schöner Beitrag. Hat sehr viel Spaß gemacht ihn zu lesen und die Website sieht auch sehr schön aus.
Ich versuche nun selbst gerade das Objektiv zu erwerben, konnte allerdings nur eine QBM-Variante sichten. Ist die Qualität da schlechter? Hast du vielleicht einen Tipp für mich, wo ich die M42-Variante herbekommen kann?
Beste Grüße
Lucky