Saltstraumen ist weit mehr als nur ein beeindruckender Strudel – er ist ein dynamisches Naturspektakel: geologisch, biologisch und touristisch gleichermaßen faszinierend.
Nach einem ergiebigen Foto-Shooting am Valnesfossen laufen wir am frühen Nachmittag auf der Forststrasse zurück zum Parkplatz. Unsere letzte Fotoposition war beindruckend: Der mächtige, grösste Wasserfall in der Region Bodø stürzt im freien Fall mit lautem Donnern sechzig Meter in die Tiefe. Heute führt er viel Wasser und sein feiner Sprühnebel nässt andauernd Kleider und Objektive. Wischen der Frontlinse ohne Ende ist angesagt.
Nach einem kurzen Lunch auf dem Rastplatz fahren wir auf der Fv17 zurück und halten bei der Brücke über den Elvfjorden noch kurz an. Am Himmel ziehen schnelle Regenwolken, durch deren Lücken sich der blaue Himmel zeigt. Das Wasser im Fjord leuchtet goldfarbig von durchscheinenden Sonnenstrahlen, die Berge und ein kleiner Regenbogen spiegeln sich im stillen Wasser.
Saltstraumen - Der stärkste Strudel der Welt
Wir streben aber nach mehr: Heute um 19:17 Uhr ist der Gezeitenstrom Saltstraumen beim Einströmen in den Fjord am stärksten. Das wollen wir sehen und fotografieren. Saltstraumen liegt am Ende einer der schönsten Strassen Norwegens: der Kystriksveien , die Küstenstrasse. Nur 33 km ausserhalb von Bodø können wir dieses spektakuläre Naturphänomen erleben, das Besucher immer aufs neue anzieht und begeistert. Die Strömung entsteht, wenn das Wasser durch den Wechsel der Gezeiten durch die enge Passage zwischen dem Saltfjorden und dem Skjerstad Fjord ein- und ausfliesst.
Foto-Guide Cody führt uns hoch zur Brücke über den Saltstraumen. Der Wind pfeift uns um die Ohren, wir stehen auf dem höchsten Punkt: 41 Meter trennen uns von der Wasseroberfläche – und vom stärksten Wasserstrudel der Welt. Unter uns tobt der Saltstraumen, eine von Norwegens spektakulärsten natürlichen Sehenswürdigkeiten.
Alle sechs Stunden wiederholt sich dieses Spektakel. Die Meerenge mit den fünf Brückenpfeilern, der kleinen Insel Storholmen in der Mitte und die enormen Kräfte, die hier auftreten, bilden den Schauplatz für das gigantische Naturwunder. Durch die Gravitation von Mond und Sonne beeinflusst, sorgen die Gezeiten, der Wechsel von Ebbe und Flut, für diese Ausgleichsströmung. Dabei werden gewaltige Wassermassen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 40 km/h durch den 3 km langen und nur 150 m breiten Durchbruch gepresst.
Etwa 400 Millionen Kubikmeter Wasser – das ist das 20-fache Volumen des weltbekannten St. Moritzersees in den Alpen – fliessen beim Wechsel der Gezeiten durch die enge Passage, bewegen sich vom Meer ins Landesinnere und 6 Stunden später zurück. Durch die schiere Gewalt der Wassermassen entstehen die riesigen Wasserstrudel; bis zu zehn Meter Durchmesser und 4-5 Meter tief drehen sich die reissenden Wirbel im Kreis.
Wir bleiben etwa eine Stunde oben; beobachten und fotografieren fasziniert die riesigen Strudel, die kleinen Boote der Angler und die von Bodø kommenden schnellen RIB-Boote mit erlebnishungrigen Touristen. Später verschieben wir uns hinunter zum Saltstraumen-Viewpoint und verfolgen das Geschehen hautnah, quasi aus der Frosch-Perspektive.
Meeres-Schutzgebiet und Eldorado für Sporttaucher
Der Sund des Saltstraumen und die umliegenden Gewässer sind bekannt für ein grandioses Unterwasserleben und Artenvielfalt an Fischen. Hier gibt es grosse Bestände an Kabeljau, Seelachs, Heilbutt und Seeteufel. Ein Grund hierfür ist die stetige Zufuhr nährstoffreichen Wassers durch den Strom. Der grösste, je mit der Angel gefangene, Seelachs stammt aus den hiesigen Gewässern. Hier lebt auch die weltweit grösste Population von Seeadlern und findet reichlich Futter. Neben den ausgedehnten Fischgründen gibt es auch uralte Seetang-Wälder, bunte Anemonen, Muscheln, Krustentiere und verschiedene Arten von Nacktschnecken. Kein Wunder ist die Region Heimat vieler Fischer und ein beliebtes Ziel für Angler.
Für Sporttaucher und Unterwasserfotografen ist Saltstraumen eine einzige Abenteuerwelt. Starke Strömung und die steilen Wände machen das Tauchen zur Herausforderung – nichts für Anfänger. Auch zertifizierte Taucher benötigen einen lokalen Guide, dafür ist die Tauch-Erfahrung einfach einzigartig.
Wir wechseln Abends um neun zum nahe gelegenen Nedre Åselivatnet und kehren um 00:30 Uhr an den Saltstraumen zurück. Die Sonne steht nun tief und beleuchtet die Wolkenunterseite und das Wasser des Saltstraumen in schönsten Orange- und Blau-Tönen. Einfach ein wunderbares Licht für stimmige Bilder. Zurück in Bodø geniessen wir noch einmal schönstes Licht über dem Hafen. Es ist das letzte Bild dieser Fotoreise und auch mein Bild des Jahres 2024. Minuten später löst sich die Fotogruppe auf.
Aha, richtig, ich vergass zu erwähnen: Es ist Mid-Sommer in Norwegen, die Sonne geht nicht unter und macht die Nacht zum Tag. Wir fotografierten oft bis 01:30 Uhr bei schönstem Licht, Sonnenschein und Temperaturen nahe 30 °C .
Die Aufnahmen entstanden mit meiner Fuji GFX100s II und den Objektiven GF20-35mmF4, GF32-64mmF4 und GF100-200mmF5.6. Bearbeitet mit Adobe Lightroom, DxO NIK Collection und Color Grading LUTs von Lutify.
Quellen:
Visit Norway
AMEXcited, Ausgabe Juni 2023
Wikipedia
Eigene Recherchen







