Gestern, an einem sonnigen Maitag, habe ich mein Carl Zeiss Jena Biotar 2/58 in der Alu-Ausführung, mit Vorwahlblende und M42-Gewinde ausgeführt. Ich wollte dieses Schätzchen zusammen mit meiner Fuji X-Pro2 endlich auszuprobieren. Auf die Bildqualität war ich richtig gespannt, erwartete aber nicht allzu viel. Ich wurde aber positiv überrascht: Das Biotar 2/58 zeichnet unerwartet scharf und das bei schönen Farben.
Als Contax User und Carl Zeiss Aficionado bleibe ich den Marken Carl Zeiss und Zeiss Ikon verbunden und beschäftige mich seit vielen Jahren mit ihrer Geschichte und ihren Produkten. So habe ich hier schon über mein Contax Sonnar 1.5/50 – ebenfalls ein Klassiker – berichtet.
Das Biotar ist eine Weiterentwicklung des 1896 zum Patent angemeldeten Planar-Typs von Paul Rudolph, damals bei Carl Zeiss Jena beschäftigt. Es ist ein asymmetrisches, sechslinsiges Objektiv, das erstmals vom Zeiss-Konstrukteur Willi Merté 1927 berechnet wurde. In den 1930-er Jahren rechnete Merté weitere Biotar-Optiken, darunter für Kleinbild das 2/40, das populäre, hier vorgestellte 2/58 und das heute sehr selten erhältliche und deshalb teure Biotar 1.5/75 mm.
Die Berechnung des Biotar 2/58 wurde 1936 abgeschlossen; 1938 kam es auf den Markt und war fast zwanzig Jahre lang das Mass der Dinge. Mit M42-Anschluss und Vorwahlblende wurde es 1951 als lichtstärkstes Normalobjektiv für die an der Leipziger Frühjahrsmesse 1949 vorgestellte Contax S präsentiert. Auch für die Nachfolgemodelle, wie meine Contax D, wurde es standardmässig ausgeliefert. Produziert wurde mein Biotar 2/58 mit M42-Anschluss und der Seriennummer 4418461 gemäss den mir verfügbaren Daten übrigens 1955.
Heute sind viele der lichtstarken Objektive im Brennweiten-Bereich zwischen 50 – 100mm für Spiegelreflexkameras – gleich ob europäischer oder japanischer Herkunft – Nachkommen des Biotars. Nur der Name verschwand aus markenrechtlichen Gründen aus dem Bewusstsein: Zeiss in Oberkochen nannte ihre Objektive Planar. Die aus Jena hiessen für den heimischen Markt und Europas Osten bis 1960 weiterhin Biotar. Für den Export in den Westen und in die USA kurze Zeit schlicht «B», dann kurzzeitig Flexon und ab 1961 Pancolar, dem eigentlichen Nachfolger. In der damaligen Sowjetunion wurde es zudem in millionenfacher Ausführung als «Helios 44-2 58mm f2» nachgebaut.
Bei der Adaptierung mit einem handelsüblichen Adapter an der Fuji X-Pro2 merkte ich, dass eine Einstellung auf Unendlich nicht möglich war. Der von mir recherchierte Hintergrund: Das Biotar 2/58, wie auch mindestens ein Tessar für die Dresdner Contax`en, wie S und D, wohl auch für die baugleichen Pentacons, verfügen über keine Springblende. Es gab noch keinen Blendenstössel, dafür einen konischen Metall-«Kragen». Dessen Tiefe vom Ende her bis zur Objektiv-Auflage gemessen beträgt 8.5 mm, der äussere Durchmesser dazu 38 mm. Die 8.5 mm sind deutlich mehr als üblich, das lichte Innenmass des Adapters (bestimmt durch dessen Innenkragen) hingegen weniger: Bei meinem KIWI-Adapter mass ich 36 mm, beim FUX/CO von Novoflex wurde mir 37.4 mm genannt. In der Praxis lässt sich das Objektiv deshalb nur soweit in den Adapter einschrauben bis der Konus am Innenkragen ansteht; es fehlt ca. 1 mm bis zum vollständigen Einschrauben. Ein Fokussieren auf unendlich ist so natürlich nicht möglich.
Nach erfolgloser Suche nach einem einteiligen Adapter und Verwerfen von zweiteiligen Lösungen, wie zuerst das Adaptieren auf das Canon EF-Bajonett, fand ich eine für mich passende Lösung: Ich habe kurzerhand eine lokale Mechanische Werkstätte angerufen, bin anschliessend dorthin gefahren und habe mir den KIWI LMA,M42-FX auf der M42-Gewindeseite auf ein lichtes Mass von 38.3 mm ausdrehen lassen. Es dauerte nur ein paar Minuten und kostete mich ein paar Bucks. Die korrekte Adaptierung sieht dafür professionell aus und die Fokussierung des Biotars 2/58 auf Unendlich ist nun möglich.
Ein erstes Urteil zum Biotar 2/58: Es ist schon bei Blende 2 in der Mitte überraschend scharf, mit schönen Farben, aber starker Vignettierung,. Ab Blende 4 ist es bis an den Rand hin scharf und kontrastreich mit einem charakteristischem, weich gerendertem «Swirling Bokeh». Bei Blende 2.8 lassen sich an der Fuji X-Pro2 schöne und runde Bubbels, «Katzenaugen» genannt, erzeugen. Also Eigenschaften, die heutige Objektiv-Rechnungen nicht mehr aufweisen und moderne Objektive deshalb oft klinisch wirken lassen. Das macht aber gerade den Reiz aus: Wer das Biotar 2/58 kreativ anwendet wird damit viel Spass haben – einen ganz eigenen analogen Charakter eben.
Auf der Negativseite fallen bei meinen Objektiv ein leichter Fokus-Shift und eine deutliche Farbverschiebung bei Aufnahmen mit Blende 2 und beispielsweise Blende 11 auf. Es weist bei Offenblende einen Gelbstich auf; der lässt sich in Lightroom aber korrigieren.
Abschliessend mein Fazit: Gemessen an heutigen Massstäben, kann das Biotar 2/58 qualitativ mit meinen Fuji-Objektiven nicht ganz mithalten. Es überzeugt aber durch seinen analogen Bildcharakter, vor allem bei näheren Distanzen. Für die Weite, wie bei der Landschaftsfotografie üblich, ist die Bildqualität für meine Ansprüche ungenügend.
Alle Farbaufnahmen mit Fuji X-Pro2 und Biotar 2/58, Seriennummer 4418461. Schwarzweisse Objektiv-Bilder mit XF16-55mm. Bilder als JPEGs OOC (Out Of Cam) mit Fuji Provia-Film-Simulation, in Lightroom Belichtung mit Histogramm angepasst, Kontrast erhöht, zum Teil im Format beschnitten.
Quellen:
Wikipedia
Hallo!
Ich habe auch ein Biotar (meines trägt den Namen „Otar“ 2/58 mm gekauft und bin schon gespannt auf die Bilder (Blütenmakros) die ich damit machen werde, ich nutze das Objektiv an meiner Canon 5D MK III.
Hallo Karheinz
Hallo Karlheinz
Ein seltenes Objektiv das du mit dem Otar 2/58 mm hast. Der Name zeugt vom Streit zwischen Zeiss Oberkochen und Zeiss Jena. Durch den verlorenen Prozess um die Namensrechte gezwungen musste sich Carl Zeiss Jena nach einer Alternative für die Namen Tessar und Biotar umschauen. Man behalf sich mit mit den Initialen «T» bzw. «B» und der Herkunftsbezeichnung «Jena». Einen Sonderweg ging die USA: Das Biotar erhielt einen neuen Frontring mit der Bezeichnung «C.Z. Jena 1:2 – 58 mm» oder «C.Z.Jena Otar 1:2 f=58 mm». Quelle: «Spiegel Contax», Lindemanns Verlag.
Leider erwähnst du den Anschluss nicht, das Biotar wurde für die Spiegel Contax entwickelt; aber auch für andere Kameras aus Jena, so der der Exakta, gebaut. Bei der Contax-Variante verweise ich auf den Untertitel zur Adaptierung in meinem Blogbeitrag.
Ich wünsche dir viel Spass mit dem Objektiv.