Zurzeit fotografiere ich an liebsten mit meinen Carl Zeiss Contax Objektiven. Einem 5er-Set an feinen, exzellenten Linsen, deren Produktion 2005 im Zusammenhang mit der Einstellung der Fertigung von Contax Kameras durch Kyocera in Japan aufgegeben wurde. Das sogenannte Contax/Yashica Bajonnet (C/Y) gilt seither als «toter» Kamera-Anschluss und wird heutzutage nur noch als «Altglas», vornehmlich im Internet gehandelt.
Ein kurzer Abriss zu den Carl Zeiss Contax Objektiven
Nach der endgültigen Aufgabe der Kameraherstellung bei der deutschen Zeiss Ikon 1972 fehlte Carl Zeiss in Oberkochen ein Abnehmer für ihre Kleinbild-Objektive. Carl Zeiss sah sich deshalb nach einem Kooperationspartner um und wurde schliesslich beim Kamera- und Optik-Herstelle Yashica in Okaya in Japan fündig. 1974 wurde auf der Photokina in Köln als erstes Gemeinschaftsprojekt das neue Contax RTS-Kameragehäuse mit dem neuen C/Y-Bajonnet und dazu neuen Objektiven von Carl Zeiss vorgestellt. F.A. Porsche als dritter Partner war zuständig für das Design. Im Rahmen dieser Kooperation wurden von Yashica von 1974 bis 2005 zahlreiche Kamera-Linien und -Modelle entwickelt und hergestellt. So auch die erwähnte RTS oder die von mir benutzten MD137 oder ST, letztere eine abgespeckte Variante der RTS III. 1983 übernahm Kyocera Yashica, liess aber Produktenamen und Modellpolitik unverändert weiterlaufen. 2005 erfolgte von Kyocera die vollständige Einstellung aller Geschäftsaktivitäten zur Fotografie.
Die Objektive zum Contax-System wurden alle von Carl Zeiss gerechnet und in den ersten Jahren auch in Oberkochen gefertigt. Schon bald erfolgte die vorwiegende Fertigung in Lizenz bei Yashica beziehungsweise später bei Kyocera. Qualitätskontrolle und -Sicherung verblieben bei Carl Zeiss.
1984 erfolgte die Umstellung der Objektivpalette von AE (Aperture Exposure) auf MM (Multi-Mode). Mit dem neuen Kameramodell Contax 159MM erlaubte dies nun auch Programm- und Zeitenvorwahl. Daraus ergeben sich vier Identifikations-Merkmale heute gehandelter Contax-Objektive:
- Made in Germany
- Made in Japan
- AE, nur Aperture Exposure (Blendenvorwahl)
- MM, Multi-Mode, kleinste Blende grün markiert
Bei den Objektivnamen wurde die bei Zeiss übliche Nomenklatur verwendet. Dabei steht «Distagon» für Weitwinkelobjektive, «Planar» und «Tessar» für Normalobjektive. «Sonnar» steht für lichtstarke Objektive und «Tele-Tessar» für Tele-Brennweiten. Zoom-Objektive tragen losgelöst von der Brennweite immer den Namen «Vario-Sonnar».
Heute noch Carl Zeiss Contax Objektive verwenden?
Kameras und dazu passende Objektive für engagierte Amateure gibt es am Markt zuhauf. Fujifilm, der Hersteller der von mir hauptsächlich benutzen Systemkamera X-E1 hat für den X-Mount seit 2012 alleine 18 neu gerechnete Objektive im Angebot. Und weitere auf seiner Roadmap aufgeführt. Canon, die andere von mir benutzte Kameramarke bietet beinahe 50 Objektive nur für den heute üblichen EF-Mount seiner Spiegelreflexkameras an. «Da müsste was Passendes dabei sein» die wohl gängige Vermutung.
Also gibt es eigentlich keine Gründe zum Fremdgehen. Und dennoch quellen die Internetseiten mit Angeboten zum «Altglas» über. Das Angebot ist breit und kaum mehr überschaubar. Viele Anbieter und berühmte Namen, die längst vom Markt verschwunden sind, lassen sich hier noch finden. Auch weil dem Zeitgeist und der Einführung von spiegellosen Systemkameras geschuldet: Eine Weiterverwendung alter Schätze durch Adaptierung an moderne Kamera Bodies wird so möglich. Und das bei teilweise rasant steigenden Preisen. Berühmte Objektive oder Raritäten aus dem letzten Jahrhundert werden heute zu damaligen Einstandspeisen oder gar höher gehandelt sofern sie überhaupt erhältlich sind. Meine heutige Abfrage in eBay zum berühmten Trioplan 2,8/100 mit M42-Anschluss von Meyer-Optik, Görlitz aus den 50-Jahren, erbringt weltweit ein einziges Angebot zutage: CHF 700.- für ein äusserlich abgenutztes Objektiv in zwar optisch gutem Zustand, aber mit Staub im Innern.
Deshalb nutze ich Carl Zeiss Contax Objektive
Vorab: Ich fotografiere seit 1965 und bin mit rudimentären Bedienungselementen und manueller Fokussierung aufgewachsen und damit vertraut. Die verschiedenen Automatikfunktionen kamen erst nach und nach dazu und erreichten ihren Höhepunkt mit der Einführung der digitalen Fotografie. Alles und jedes ist nun automatisiert: Motiv-Programme für alle Situationen, Belichtungsmessung und -Kontrolle, Autofokus, Bildstabilisation um mehrere Achsen, Blitzsteuerung, Augen- und Gesichtserkennung. Und zur Sicherheit wird jedes Motiv fünfmal, statt einmal sorgfältig komponiert, aufgenommen. Das entspricht nicht meinen heutigen Vorstellungen zum Hobby «Fotografie».
Und deshalb nutze ich heute immer noch gerne meine Carl Zeiss Contax Objektive:
- Sie bieten mir eine bewusste Entschleunigung beim Fotografieren. Die manuelle Einstellung von Zeit und Blende und Fokussieren auf das Bildmotiv dauern länger und führen zu einem bewussteren Gestalten und Aufnehmen. Es macht einfach mehr Spass.
- Die Carl Zeiss Contax Objektive sind bezüglich der erzielbaren Bildqualität den Originalobjektiven aktueller Systemkamera-Hersteller durchaus ebenbürtig, einigen gar überlegen und fallen bei einer Gesamtwürdigung nicht ab. Zumindest am 16 MP Sensor der Fuji X-E1 ist das so und dürfte bei der kommen 20/24 MP Generation so bleiben.
- Liebe ich die mechanische Ausführung mit einem Tubus aus eloxiertem Leichtmetall und sorgfältig gravierten Skalen. Den seidenweichen Schneckengang mit grosser Steigung, den sanft einrastenden Blendenring und die geschmeidig anmutende Haptik. Kurz ein sensorisch sehr schönes «Anfassgefühl».
- Einen Autofokus benötige ich in der Regel nicht. Ich kann sowohl mit Schnittbild-Entfernungsmesser und Mikroprismen analoger Kameras wie Lupe und «Fokus-Peaking» bei digitalen Systemkameras umgehen. Die Carl Zeiss Contax Objektive ohne Autofokus sind deutlich kleiner und das Gesamtbild von Kamera und Objektiv sieht in meinen Augen harmonisch aus.
- Die Carl Zeiss Contax Objektive zeichnen mit dem ihnen eigenen Charakter. Sie sind nicht klinisch scharf wie moderne Objektiv-Rechnungen mit asphärischen Linsenelementen. Sie zeichnen offen zum Rand hin oft etwas schwächer, liefern wärmere Farben und haben generell ein schönes, cremiges Bokeh (Abbildung im Unschärfeberreich).
- Und nicht zuletzt sind die Carl Zeiss Contax Objektive billiger als neue Fuji- oder Canon EF-Objektive die zwar Autofokus und Bildstabilisation besitzen.
Welche Carl Zeiss Contax Objektive besitze ich?
Die Geschichte meiner Carl Zeiss Contax Objektive ist wechselhaft. Sie begann 1982 mit dem Kauf meiner ersten Contax Kamera: Einer MD137 mit dem Planar 1,4/50 zu einem Kit-Preis von CHF 998.-. Das Planar mit der Seriennummer 6051721 ist heute noch in meinem Besitz. Im Laufe der Zeit kamen ein Sonnar 2,8/135 und zwei Vario-Sonnare hinzu.
Schon 1982 mit dabei waren auch das Distagon 2/28 «Hollywood» und das Planar 1,4/85. Nach dem Wechsel zur Digitalfotografie habe ich 2004 beide verkauft, genauso wie die drei Sonnare was ich heute zutiefst bedaure. Das Distagon zB. wird heute im Internet wieder zum damaligen Neuwert gehandelt!
Schon 2005 kam wieder ein Distagon 2,8/35 dazu und wurde mittels eines Adapters von Haoda manuell an der Canon 5D betrieben. Und so ging es weiter, das heutige Set lässt sich im grossen Bild ablesen. An der Fuji X-E1 werden die Carl Zeiss Objektive wahlweise mit einem Adapter von Novoflex oder dem Metabones Speedbooster Ultra betrieben.
Eines aber ist sicher: Verkauft wird keines – eher kommen noch welche hinzu.
Interessant zu lesen:
Wikipedia: Contax, ein Abriss über deren Geschichte
Carl Zeiss, Datenblätter zu den Contax Objektiven
Digicamclub, ein umfangreiches deutschsprachiges Forum
Hallo Gilbert
Vielen Dank für die netten Worte zum Blog. In der Tat haben wir gemeinsame Interessen; auch ich habe noch zwei Contax-Gehäuse: Erstens eine ST, das ist die RTS III ohne die Keramik-Andruckplatte und zweitens eine S2, die voll mechanisch ohne Batterie funktioniert. Auch ich vermisse, dass Gehäuse-Design, Grösse und technische Machart der Contax nicht in das digitale Zeitalter übertragen werden konnten. Von der missglückten N Digital einmal abgesehen. Eine spiegellose ST mit aktuellem Sensor ohne AF würde ich heute sofort kaufen, den AF brauche ich nicht.
Zur Frage: Zeiss-Objektive mit Contax/Yashica-Bajonett lassen sich an allen modernen Mirrorless-Systemkameras, also Kameras ohne Rückschwing-Spiegel verwenden. Auch an digitalen Spiegelreflex-Kameras mit Ausnahme von Nikon. Dabei wird die Differenz der unterschiedlichen Auflagemasse mit einem Adapter ausgeglichen. Diese sind in unterschiedlichen Qualitäten und Preisen am Markt erhältlich, von top gearbeiteten Novoflex-Produkten bis zu No-Name-Importen aus China. Für Zeiss-Objektive erfolgt eine rein mechanische Kupplung, das heisst die Fokussierung erfolgt wie gewohnt manuell, die Scharfstellung wird im elektronischen Sucher mit Fokus-Peaking unterstützt. Es werden aber keine Objektivdaten in die EXIF-Daten geschrieben. Ausser der Brennweite, die man vor einer Aufnahme eingeben und speichern kann.
Die Zeit der digitalen Spiegelreflex-Kameras ist abgelaufen; es gibt kaum noch neue Modelle. Der Markt wird zunehmend von spiegellosen Systemkameras mit elektronischem Sucher und Display an der Rückseite dominiert. Anbieter gibt es mehrere. Soll die Sensorgrösse dem bisherigen Kleinbild, eg. Vollformat, entsprechen ist Sony mit der Alpha 7/9 der Platzhirsch, gefolgt von der Canon EOS R und der Nikon Z-Reihe. Sony hat hier jahrelange Erfahrung und dadurch Vorteile, Canon und Nikon haben erst vor zwei Jahren mit KB-Mirrorless im grossen Stil angefangen. Fuji hingegen ist Marktführer im sogenannten APSC-Format mit einem kleineren Sensorformat. Im Vergleich zum KB-Format kommt der Crop-Faktor von 1.5 zum Tragen. Das heisst: Das Planar 50mm erzielt die gleiche Bildwirkung wie ein Objektiv mit Brennweite 75mm. Zum Crop-Faktor und warum das so ist gibt es viele fundierte Beiträge im Web. Es geht um Optik und Physik :-).
Eine Marken-Empfehlung kann ich nicht aussprechen; dazu sind die individuellen Anforderungen zu vielschichtig. Persönlich habe ich mich nach zehn Jahren mit Canon EOSs 2013 für das Fuji-System entschieden. Im wesentlichen aus fünf Gründen:
1. Retro-Aussehen und Retro-Bedienung mit mechanischen Drehrädern für Blende, Zeit und ISO. Die Haptik war super und erinnerte an die Contax, das war 2013 geradezu revolutionär.
2. Geringere Grösse und geringeres Gewicht des Fuji-Systems. Bei Beschränkung auf die Fuji-Crons mit Blende 2 stimmt das auch heute noch. Ein adaptiertes Zeiss Planar 50mm ergibt trotz Adapter ein stimmiges Aussehen und eine gute Handhabung.
3. Die sehr guten und durchs Band neu gerechneten Fuji-Objektive, in den lichtstarken Ausführungen komplett optisch korrigiert. Fuji hat – wie Zeiss – eine jahrzehntelange Objektiv-Kompetenz für Fotografie, Broadcast und Film. So produzierte Fuji auch die Objektive für die H-Serie von Hasselblad, nicht mehr Zeiss :-).
4. Für JPEG-Shooter besonders wichtig: Die Film-Simulationen mit den Fuji-Farben (Pro-Neg, Provia, Velvia, Astia, usw). Die Farben von JPEG-Bildern direkt aus der Kamera gehören zu den besten überhaupt.
5. Die NEX und Alpha 6xxx APSC-Kameras von Sony mochte ich wegen deren Bedien-Menüs nie. Canon und Nikon hatten 2013 keine Mirrorless Kameras in diesem Leistungssegment im Angebot. Und MFT mit einem Crop-Faktor von 2 war für mich suspekt. Und wie sich beim kürzlichen Verkauf der Olympus-Kamersparte zeigt, eine Sackgasse.
Als Adapter verwende ich einen Novoflex FUX/CONT-Adapter. Dazu einen Metabones Speedbooster Ultra II. Das ist ein sogenannter Focal Reducer. Er reduziert die Brennweite um den Faktor 0,71 und öffnet die max. Blende um einen Wert. Der Crop-Faktor 1.5 für APSC wird so nahezu ausgeglichen. Ein 35mm Distagon an einer Fuji erreicht so eine Brennweite von 37mm (35 x 1.5 x .71).
Mein Ratschlag wäre zuerst die Soll-Eigenschaften zu bestimmen und zu bewerten. Die Herstellerseiten, Foren und Reviews im Web liefern dazu die nötigen Informationen. Vor einem System-Entscheid scheint mir dann zwingend ein Besuch in einem Foto-Fachgeschaft mit in die Hand nehmen und ausprobieren der in Frage kommenden Kamera angebracht. Ich hoffe, meine Ausführungen helfen.
Guten Tag
Ich besitze seit Jahren 2 Contax Kameras davon eine RTS. Nun möchte ich mir eine Digital-Spiegelreflexkamera kaufen auf der ich meine Zeiss Objektive verwenden kann. Mit welchen Kamera Marken sind alte Zeiss Objektive mit Adapter kompatibel ? Welche würden Sie mir empfehlen ?
Wie ich gesehen und gelesen habe, haben wir vieles gemeinsam. Ich bin 1951 in Zürich geboren und bin auch Fan von Alaska, Kanada,
Norwegen und Natur im allgemein. Natürlich bin ich immer noch ein Contax Fan und misse die guten alten Kameras aus Metallguss.
Habe die Fotographie als ich ca. 18 Jahre jung wahr gelernt. Ich hatte das Magazin „Photographie“ mehr als 20 Jahre abonniert und habe alle Berichte und Kurse von Jost Marchesi gesammelt.
Gratuliere für Ihren Blog und bedanke mich im voraus für Ihre Beratung.
Gilbert Schopfer